Zeigen sich Perversionen am Ehesten in scheinbaren Nebensächlichkeiten?
Freitag, 9. April 2010, 10:52
Abgelegt unter: Regierung

Ging mir heute so durch den Kopf.
Über Guantanamo ist ja schon viel geschrieben und geschimpft worden, allein, es bleibt doch im Wesentlichen abstrakt, weil wir uns vieles dort nicht ernsthaft vorstellen können. Wir wissen theoretisch, dass dieses „Water-Boiling“ grausam ist, kaum einer von uns kennt aber diese Panik wirklich, die sich durch das Beinahe-Ertrinken in einem ausbreiten muss.
Nun habe ich heute im ME aber die Liste der Songs gelesen, mit denen dort die Gefangenen überlaut beschallt und gefoltert wurden und in diesem Moment bekam das Ganze für mich eine weit deutlichere Realität, denn viele dieser Songs sind bekannt. Ob nun AC/DC mit „Hells Bells“ oder Metallica „Enter Sandmann“ Bruce Springsteen „Born In The USA“, Queen „We Are The Champions“, BeeGees „Stayin‘ Alive“ und das Sesamstraßenthema, es ist diese Pervertierung von Kunst, die mich weit mehr berührt. Wie seht ihr das, wobei ich um Sachlichkeit bitten möchte und die Vermeidung jeglichen dumpfen Antiamerikanismus. Wie geht euch das, wenn ihr sowas lest, dass das, was ihr kennt, einige von euch auch mögen, so missbraucht wurde?
Und ist diese Verdrehung demokratischer Werte nicht die eigentliche Schande, die die Regierung Bush den Amerikanern, aber auch uns hinterlassen hat?


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  • nerone sagt:

    Doch, du hast vollkommen Recht. Gerade die Verwendung von etwas „völlig Normalem“ als Folter ist ungeheuerlicher als alle mittelalterlichen Foltermethoden.
    Genau, wie auch die Licht-Folter – eigentlich ist diese Beschallung eine Fortsetzung der Lichtfolter oder der Wasserfolter. Etwas an sich Harmloses wird derart pervertiert, dass es zur grässlichsten Folter wird.
    Und noch was: Auch die Benutzung von an sich „unschuldigen“ Menschen, die durch die ständige Einhämmerung und Indoktrination zu Folterern werden.
    Tests mit Studierenden haben gezeigt, dass sie (fiktive) Opfer mit gewaltigen Stromschlägen „folterten“, wenn sie dafür Punkte erhielten.
    Genau dies geschah in Guantanamo mit den Folterern. Wobei ich sie nicht „entschuldigen“ will – ich sage einfach, dass sie missbraucht wurden. G. W. Bush hat sich selber die Hände nicht schmutzig gemacht.

  • Pandorra sagt:

    So profan es klingen mag, aber ich vergleiche das mit einem 5* Menü, das mit Liebe und Finesse zubereitet wird und über das ein Klob tonnenweise Ketchup kippt.
    Noch ein kleines Beispiel. Bei einem Einkauf letzt im Baumarkt sah ich einen Wühlkasten mit Büchern für 2,99. Wie immer kam ich nicht umhin darin zu buddeln. Die üblichen Bücher, Arzt-, Liebes- Heimatromane doch dann… mir stockte der Atem „Von Vätern und Söhnen“ von Turgenjew. Ich verstand die Empörung, die sich wild in mir breitmachte überhaupt nicht. Warum war ich so wütend? Es kam mir wie die Entweihung eines indianischen Tempels vor – ein solcher Klassiker eines der bedeutendsten russischen Schriftstellers in einem Wühlkasten für 2,99? Obwohl ich dieses Buch schon in gebundener Fassung habe, kaufte ich es – ich mußte es einfach retten.
    Blödsinn?
    Aber so ist es nun mal – es gibt Dinge, die sind uns „heilig“ und wenn sie mißachtet, mißbraucht oder zweckentfremdet werden, wird ein wunder Punkt in uns berührt, der schwelt und gärt.
    So geht es mir auch mit Musik die, nicht nur wie hier für völlig falsche Zwecke mißbraucht wird, auch manchmal auf schreckliche Weise verzerrt und völlig entstellt gecovert wird.
    Die Verdrehung demokratischer Werte durch die Bush Regierung hat Amerika schwere Narben hinterlassen. Und auch diese werden noch eine ganze Weile schwelen und gären.
    LG-P

  • Cornelia sagt:

    Wer trotz der Schikanen Guantanamo überlebt hat, der ist entweder ein Wrack oder ein Spitzen Terrorist. Man kann auch durch Leiden lernen. Und die ganzen üblen Tricks sind jetzt in den Erfahrungsschatz der Terroristen eingegangen. „Unsaubere Mittel führen zu einem unsauberen Ergebnis“ – Ghandi
    Warum wohl hat Obama als erste Amtshandlung die Guantanamo-Prozesse gestoppt? Er weiß, was dieser unselige, wie hieß er noch, Bush, nie begriffen hat. Auch wir haben noch einige Leichen im Schrank.
    Hoffentlich ist bald Bundestagswahl.

  • emma5 sagt:

    Die Guantanamo-Insassen sind keine Schwächlinge, und sie hatten sich schon auf grausames Leben und einen grausamen Tod eingestellt. Die primitive Musik nervt absolut, aber das ist wohl nicht ihr größtes Problem.
    Unabhängig davon ist dieser Lager – JA! – eine Schande für die USA. Sowie grundsätzlich ihre Art, den imaginären Feind zu vernichten, als ob es sich nicht um Menschen handeln würde.

  • Holli Roller sagt:

    Gänsehaut pur ..wenn ich mir vorstelle was das für ein Gefühl ist wenn es anfängt im Kopf mörderisch zu wirken ..
    aber darunter sind ein paar üble Kerle die herauszufinden wird dann nicht mehr so schwer werden .. dann lässt sich die Angelegenheit von selbst lösen .. na ja

  • micha sagt:

    Über Guantanamo gibt’s ja sicher genügend zu schimpfen aber sollte man nicht ebenso von den Verbrechen berichten,die mehr oder weniger den Insassen angelastet werden?

  • loewenp sagt:

    Ich denke das funktioniert nur, indem man sich Musik vorstellt, die man überhaupt nicht mag. Die von dir genannten Lieder (außer dem Sesamstraßenquatsch) höre ich mir sehr gerne und auch sehr oft an, insofern wäre das für mich keine Folter.

  • reGnau sagt:

    Bei uns ist die Demokratie schon lange keine Demokratie mehr, denn es passiert oft genug, dass die grossen Bonzen eine so starke Lobby haben, dass ich als kleiner Bürger nichts dagegen tun kann. Der Frust lässt grüssen.

  • you got it ! sagt:

    Och bei den Liedern kann ich das schon verstehen. Glaub mir, da kann man bekloppt werden, wenn es ununterbrochen läuft. Selbst wenn du es halbwegs magst.



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