Wie funktioniert das iranische Regierungssystem? Wer wählt den Präsidenten? Und wer ist der Wächterrat?
Freitag, 9. April 2010, 08:38
Abgelegt unter: Regierung

Wächterrat hört sich ja höchst nebulös an, sowas kenn ich nur aus Sciene-Fiction-Romanen…


5 Kommentare bisher • RSS-Feed für KommentareTrackBack URI

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  • Der Frank sagt:

    Seit der Revolution von 1979 ist der Oberste Rechtsgelehrte („Revolutionsführer“) entweder der Rahbar (d. h. „Führer“) oder in seiner Abwesenheit ein Rat religiöser Amtsträger. Der Revolutionsführer, seit 1989 Seyyed Alī Chāmene’ī, hat die uneingeschränkte Macht und ernennt die obersten Richter (allesamt Geistliche) und ist auch Oberkommandierender der Streitkräfte. Er wird vom Expertenrat auf Lebenszeit gewählt. Dieser wird wiederum alle acht Jahre vom Volk gewählt, wobei der Wächterrat die Kandidaten genehmigen muss.
    Das Staatsoberhaupt und Regierungschef Irans ist der Präsident (seit 2005 Mahmud Ahmadinedschad). Er wird in allgemeinen Wahlen für eine 4-jährige Amtszeit bestimmt. Der Präsident ernennt die Mitglieder des Kabinetts und steht diesem auch vor. Er koordiniert die Regierungsarbeit und legt dem Parlament die Regierungsvorlagen vor. Die Macht von Präsident, Regierung und Parlament ist jedoch stark beschränkt, denn alle zu wählenden Kandidaten und alle Gesetze müssen vom Wächterrat bestätigt werden. Zudem hat in allen Fragen das letzte Wort der Revolutionsführer.
    Der Wächterrat besteht aus 6 Geistlichen und 6 weltlichen Rechtswissenschaftlern. Die Geistlichen werden vom Revolutionsführer ernannt. Ihre Aufgabe ist es, jedes Gesetz auf seine Konformität mit den islamischen Prinzipien hin zu überprüfen. Die Juristen werden vom Obersten Richter, dem Chef der Judikative ernannt. Ihre Aufgabe ist es, die Verfassungskonformität legislativer Akte zu überprüfen. Der Oberste Richter seinerseits wird vom Revolutionsführer ernannt. Der Wächterrat ist befugt, jedes Gesetz abzulehnen oder im Nachhinein für ungültig zu erklären, und Kandidaten die Teilnahme an der Wahl für das Parlament und das Präsidentenamt zu verweigern. Der Wächterrat entscheidet per einfacher Mehrheit. Bei gleichen Stimmanteilen hat der Revolutionsführer das letzte Wort.
    In der iranischen Verfassung Artikel § 57 wird die staatliche Gewalt, also Legislative, Exekutive und Judikative, der religiösen Führung (welayat-e faghi) unterstellt. Alle drei Gewalten sind somit nicht autonom in ihren Entscheidungen, sondern abhängig vom geistlichen Führer Rahbar.
    Das iranische Einkammer-Parlament (Islamischer Konsultativrat; persisch Majles e-Shura ye-Eslami) besteht aus 290 Abgeordneten, die in allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen für eine 4-jährige Amtszeit gewählt werden. Wegen der Auswahl des Wächterrates wird das Parlament (außer von 2000–2003) von den islamisch-konservativen Kräften dominiert.
    Mit dem überraschenden Wahlsieg Mohammad Chātemīs 1997 etablierte sich die politische Bewegung der Reformer im iranischen Parlament. Sie stehen dem religiösen Machtmonopol kritisch gegenüber und versuchen, die republikanischen Elemente des Staates zu stärken. So gelang es Chatemi zu Beginn seiner Amtszeit, eine Liberalisierung der nationalen Presse durchzusetzen. Die systemkritischen Stimmen bekamen dadurch ein öffentliches Organ, um ihrem Reformwillen Nachdruck zu verleihen.
    Das Aufleben der Pressefreiheit dauerte allerdings nicht sehr lange an. Der Wächterrat macht die Gesetze mit Verweis auf Unverträglichkeit mit dem Islam rückgängig und blockierte fortan nahezu alle Reformversuche des Parlaments.
    Seitdem sehen sich die Reformer mit großen Vertrauensverlusten in den reformwilligen Bevölkerungsgruppen konfrontiert. Die Enttäuschung über die Ohnmacht des Parlaments führte bei den letzten Kommunalwahlen (2003) zu sehr geringer Wahlbeteiligung (Landesschnitt 36 %, in Teheran 25 %) und zu einem klaren Sieg der konservativen Kräfte.
    Der Wächterrat ist Teil der iranischen Regierung und hat in dieser eine mächtige Position. Er besteht aus 12 Mitgliedern, von denen jedes für alle neuen Gesetze ein Vetorecht besitzt.
    Sechs geistliche Mitglieder werden vom Obersten Rechtsgelehrten direkt ernannt und sechs weltliche Mitglieder vom Parlament, wobei diese vom Justizministerium vorgeschlagen werden und vom Vorsitzenden der Gerichtsbarkeit, der wiederum vom Obersten Rechtsgelehrten ernannt wird, genehmigt werden müssen.
    Die Mitglieder werden für sechs Jahre ernannt und alle drei Jahre wird die Hälfte der Mitglieder neu- bzw. wiederernannt. Die Macht des Wächterrates, der im Gegensatz zum Parlament über keine demokratische Legitimation verfügt, beruht vor allem auf seinem Vetorecht. Der Wächterrat selbst verfügt jedoch über keine legislative bzw. exekutive Gewalt.
    Die Aufgabe des Wächterrates ist es, die vom Parlament verabschiedeten Gesetze auf Konformität mit dem islamischen Recht, der Scharia, zu überprüfen und gegebenenfalls abzulehnen.
    Er ist auch für die Zulassung von Kandidaten bei Wahlen zuständig und muss den Ergebnissen von Wahlen und deren Veröffentlichung zustimmen, bevor sie offiziell in Kraft treten.
    Bei anhaltenden Differenzen zwischen Wächterrat und Parlament, kann ein Schlichtungsrat beantragt werden, der die Entscheidung dann fällt.
    Meistens tritt der Wächterrat auf, wenn er Kandidaten und alle Kandidatinnen ablehnt, bzw. reformorientierte Gesetze ablehnt.
    Bei der Präsidentschaftswahl 2001 ließ der Wächterrat nur zehn der 814 Bewerber zu und schloss wie 1997 alle Frauen aus. Im Vorfeld der Parlamentswahl 2004 ließ der Wächterrat abermals Tausende Bewerber nicht zu.
    Gruß 😉

  • MichReit sagt:

    Moment mal, Leute. Die Bürger dürfen dort wählen, und zwar unter mehreren Kandidaten – im Vergleich zu den meisten Nachbarstaaten ist das pure Demokratie. Syrien ist nicht so weit und in Afghanistan und dem Irak gibt es nur eine Art Pro-Forma-Regierung.

  • peerdond sagt:

    …das Schlüsselwort ist FUNKTIONIERT! es funktioniert NICHT!

  • Bellatri sagt:

    Wenn man bedenkt, in welchem Jahr die Iraner heute leben, dann ist das Jahr 2006 für sie durchaus SF. Blickt da überhaupt jemand durch? Für mich ein einziges mittelalterliches Geklüngel aus Politik, Religion und Macht.



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