Abgelegt unter: Regierung
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen – echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Trifft’s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken –
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und – das ist das Feine ja –
nicht nur in Amerika!
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen –
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.
Der Text ist von 1930! von wem ist dieses Gedicht? im allgemeinen wird es Tucholsky zu gesprochen, aber stimmt das?
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Hallo,
es ist nicht von Tucholsky.
Der eigentliche Autor des Gedichtes scheint ein gewisser Richard G. Kerschhofer zu sein, der den Text unter dem Pseudonym Pannonicus und dem Titel “Höhere Finanzmathematik” wohl zuerst hier veröffentlicht hat.
Da ich weder Wall-Street Journal noch Berliner Morgenpost, dafür aber andere und natürlich hier auf YC solche Postings lesen kann, bin ich sehr erfreut über den manmal übernatürlich, ähnlich einer DAX-Kurve verlaufenden INFO-und Geisteshaltungslevel auf dieser Plattform. Was nämlich Wickipedia und alle anderen an Aktualität und Verlinkungen nicht schaffen, schaffen scheinbar immer mehr solche Plattformen und Blogs wie YC. Das ist nicht nur begrüssungswert sondern auch noch preiswerter und die Möglichkeiten vielfältiger. Ein Leserbrief wird, falls er überhaupt gedruckt werden kann, viele Tage und Wochen später veröffentlicht. Hier kann man sofort agieren. Da haben die YC-Macher doch grossen Weitblick bewiesen und das Ende ist noch nicht abzusehen.
So wie dieses wunderschöne, zeitbezogene und sehr weise Gedicht hier zu lesen ist, kann man es schon als Hellseherei bezeichnen. Bei genauerer Betrachtung muss man aber einräumen: Geschichte widerholt sich immer wieder in Wellen. So, wie man einen Stein ins Wasser wirft, und dessen konzentrischen Wellen bis ans Ufer fliessen und als Reflexion wieder zurückkommen, bis sie abschwächen und ganz ausbleiben.
Das Gedicht drucke ich mir jetzt mal schön aus und hänge es über meine Bildschirme…..
da brauche ich nichts weiter mehr zu erklären…..
bin schwer beeindruckt….
Thanks for Inspiration…
Und, wo hast Du es herzitiert?
Wenn Du beispielsweise bei der Berliner Morgenpost (1. Link) gewildert hättest, hättest Du auch gleich die Autortheorien mitgeliefert bekommen.
Wallstreet-online (2. Link) lobt die Stuttgarter Zeitung, die die Recherche in Sachen Autor Richard G. Kerschhofer betrieben hat.
Aber so hattest Du natürlich prima die Gelegenheit, das Gedicht auch mal hier zu posten.
Also: Antwort: Nein. Stimmt nicht.
Und mit dem Eingeben von „Dann wird bisschen Krieg gemacht“ in der Suchzeile kommt der MoPo-Artikel mit dem Hinweis auf Richard G. Kerschhofer gleich als erster.
gleich als erster.
Tucholski hat aus verständlichen Gründen auch unter Pseudonym veröffentlicht. Hat aber seiner zeitlosen Aktualität offensichtlich keinen Abbruch getan!
Kann „charly“ nichts mehr hinzufügen, aber danke für das schöne Gedicht. Werde es mir jetzt auch ausdrucken, denn ich kannte es noch nicht und finde es sehr aktuell.
Da hat damals nicht viel Hellseherei dazu gehört, denn die Rezession war gerade am abklingen.
Aber ein schönes Gedicht, das ja wieder aktuell ist.
mfG gw38