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Sie stehen hoch oben auf den einschlägigen Bestseller-Listen, die Ratgeber „Wie gewöhne ich mir das Rauchen ab“. Aber wie gewöhne ich es mir wirklich ab? Das möchte der 18-jährige Protagonist in Heinz-Dieter Herbigs Roman „Smoke mon Amour – der Rauchende Hund“ genau wissen – und begibt sich zu diesem Zweck in eine radikale Therapie: Da Rauchen eine Zivilisationskrankheit ist, so die „Archetypische Therapie“, heilt man sie nur, indem man sich auf die eigentlichen Dinge im Leben besinnt. Klingt gut, denkt Moritz Brand und reist zum Trainingscamp im Herzen Afrikas. Dort muss der schüchterne Bankangestellte allerdings erleben, dass sich seine Mitpatienten keineswegs um die eigentlichen Dinge im Leben kümmern. Vielmehr trauern sie pausenlos dem Laster nach, das sie ja eigentlich überwinden wollen. Allen voran ein etwas kurz geratener Journalist aus dem Thüringischen namens Hinzelmann. Er findet die Bedingungen unseres physischen Daseins schlechthin erbärmlich: „Sind wir nicht Sklaven eines idiotisch konstruierten Körpers, der noch nicht einmal das bisschen Nikotin ertragen kann?“ und fordert zur radikalsten Rebellion auf, die es überhaupt gibt: zur Rebellion gegen die Natur. Plötzlich: Tabak im Terrain! Da und dort wird heimlich geschmaucht! Und plötzlich macht sich eine Lebenslust unter den Patienten breit, eine Heiterkeit und Kreativität, die dem therapierenden Arzt, Dr. Maulbeer, einige Rätsel aufgibt. Doch bald ahnt er den Braten. Und er weiß, was er zu tun hat. Er geht rigoros und gnadenlos vor. „Rauchen macht krank!“ „Rauchen kann tödlich sein!“ „Rauchen verdirbt den Charakter!“ Eine Hexenjagd auf alle Süchtigen setzt ein. Der Arzt weiß eine Angst unter den Patienten zu schüren, die die revolutionären Umtriebe im Keim erstickt. Reumütig händigen sie ihm die restlichen Zigaretten aus. Aber Moritz, inzwischen in eine schmalbrüstige Raucherrevolutionärin namens Nasrin verliebt, (eine Autistin aus Teheran, die aus den Ohren qualmen kann), hatte zum ersten Mal ist seinem Leben etwas gewittert, was ihn tief atmen lässt: Freiheit! Und jetzt muss er erleben, wie Vernunft und ein gesundheitsbewusstes Dasein alle Menschen zu Bankangestellten macht. Das kann der Autor nicht dulden. Er beschließt, selbst im Trainingscamp aufzutauchen und ins Geschehen einzugreifen. Er will – rauchend und rebellierend – reinen Tisch machen. Aber wohin gerät er dabei? In die eigene Ambivalenz oder in die Ambivalenz der Dinge: dass Lust und Reue miteinander verschwistert sind, dass das eine das andere schürt, und dass wir immer dazwischen stehen.
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