Kurt Tucholsky – Finanzkrise…?
Samstag, 10. April 2010, 03:22
Abgelegt unter: Regierung

Was sagt ihr dazu? Wir hatten das Gedicht heute in Politik und ich find es recht spannend, wie dumm die Menschheit ist… Es wird wohl nie aus Fehlern gelernt.
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen – echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Trifft’s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken –
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und – das ist das Feine ja –
nicht nur in Amerika!
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen –
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.
©Kurt Tucholsky, „Die Weltbühne“ 1930 (!!!)


7 Kommentare bisher • RSS-Feed für KommentareTrackBack URI

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  • Hcstauq sagt:

    Da ich das Gedicht nicht kannte, habe ich mal recherchiert. Der Einwand von
    @Tegularius ist berechtigt. Das Gedicht stammt anscheinend gar nicht von Tucholksky. Schau hier:http://www.sudelblog.de/http://www.sudelblog.de/?p=378http://klauswerner.com/2008/10/kurt-tuch…http://www.marktundmittelstand.de/nachri…
    Trotzdem ist das Gedicht nicht schlecht und hätte gut von Tucholksky stammen können. Vieles war ja auch damals schon bekannt. Ich fürchte, dass der Mensch von Natur aus zu beschränkt ist, um aus der Geschichte zu lernen. Jede Generation will ihre eigenen Fehler machen. Die Aktiengesellschaften denken nur an die nächste Gewinnausschüttung und die Politiker denken nur daran, die laufende Legislaturperiode zu überstehen oder die kommende Wahl zu gewinnen.
    Hier für dich noch ein echtes Tucholsky-Gedicht und ein Zitat von Jefferson:
    DIE LÖSUNG
    Kurt Tucholsky
    Wenn was nicht klappt,
    dann wird vor allem mal nicht berappt.
    Wir setzen frisch und munter
    die Löhne, die Löhne herunter –
    immer runter!
    Wir haben bis über die Ohren
    bei unsern Geschäften verloren…
    Unser Geld ist in allen Welten:
    Kapital und Zinsen und Zubehör.
    So lassen wir denn unser großes Malheur
    nur einen, nur einen entgelten:
    Den, der sich nicht mehr wehren kann.
    Den Angestellten, den Arbeitsmann;
    den Hund, den Moskau verhetzte,
    dem nehmen wir nun das Letzte.
    Arbeiterblut muss man keltern.
    Wir sparen an den Gehältern –
    immer runter!
    Unsre Inserate sind nur noch ein Hohn.
    Was braucht denn auch die deutsche Nation
    sich Hemden und Stiefel zu kaufen?
    Soll sie doch barfuss laufen!
    Wir haben im Schädel nur ein Wort:
    Export! Export!
    Was braucht ihr eigenen Hausstand?
    Unsre Kunden wohnen im Ausland!
    Für euch gibt´s keine Waren.
    Für euch heißt´s: sparen! Sparen!
    Nicht wahr, ein richtiger Kapitalist
    hat verdient, als es gut gegangen ist.
    Er hat einen guten Magen.
    Wir mussten das Risiko tragen…
    Wir geben das Risiko traurig und schlapp
    inzwischen in der Garderobe ab.
    Was macht man mit Arbeitermassen?
    Entlassen! Entlassen! Entlassen!
    Wir haben die Lösung gefunden:
    Krieg den eigenen Kunden!
    Dieweil der deutsche Kapitalist
    Gemüt hat und Exportkaufmann ist.
    Wussten Sie das nicht schon früher -?
    Gott segne die Wirtschaftsführer!
    „Ich glaube, dass Banken für unsere Freiheit gefährlicher sind als stehende Armeen. Wenn das amerikanische Volk jemals privaten Banken erlaubt die Ausgabe seiner Währung zu kontrollieren, werden die Banken und Körperschaften, die um die Banken herum entstehen werden, zuerst durch Inflation, dann durch Deflation das Volk um all ihr Eigentum berauben bis ihre Kinder obdachlos auf dem Kontinent erwachen, den ihre Väter erobert haben. Die Macht der Währungsausgabe sollte den Banken weggenommen werden und dem Volk, dem diese Macht rechtmäßig zusteht, zurückgegeben werden.“
    Thomas Jefferson, dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (1801-1809), der hauptsächliche Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und einer der einflussreichsten Staatstheoretiker der USA

  • * sagt:

    ja, und was mich noch viel mehr schockiert:
    erich maria remarque hat :“im westen nichts neues“ geschrieben.
    ein anti-kriegsbuch, beispiellos gut und so eindringlich, dass alle sagen:“ja, so ist krieg, das darf nie wieder passieren.“
    und?
    siehste.
    das ist ein buch über den ersten weltkrieg.
    wenige jahre nach der veröffentlichung brach´der zweite aus.
    die menschen sind auf den meisten gebieten offensichtlich nicht lernbereit, lernfähig oder lernwillig.

  • katastro sagt:

    Das zeigt mir, dass Tucholsky der Große Dichter und Denker war, für den ich ihn immer gehalten hab.
    Und wenn dich das so fasziniert: Lies mal die anderen Sachen von ihm.
    (Diesen Text hat er übrigens nicht umsonst unter Pseudonym- Kaspar Hauser- geschrieben. In der Zeitung „Weltbühne“)

  • micha sagt:

    Was soll denn heißen ob nie daraus gelernt wird.Kurt Tucholsky hat im westlichen recht.Da gibt es keinen Widerspruch.Aber die Börse und der Aktienmarkt ist ein Grundelement aller Wirtschaftssysteme(übrigens auch so manches sozialistischen) und insofern unverzichtbar.

  • wotan sagt:

    Ein guter Schriftsteller (wie Tucho) ist immer zeitlos

  • Mutter Schagalla sagt:

    Der Mann war ein Genie – was ihn leider auch nicht länger am Leben erhalten hat!

  • Tegulari sagt:

    Ich glaube nicht, daß es 1930 schon Derivate gab.



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