Abgelegt unter: Haustiere
Scharf gezeichnete Szenen Kurzprosa von Umberto Saba Man darf sie ruhig in einem Atemzug nennen: Italo Svevo und Umberto Saba, die beiden Triestiner, die sich in die Weltliteratur eingeschrieben haben. Prosaist der eine, Lyriker der andere, beide jüdischer Abstammung und mit der Psychoanalyse vertraut, beide an jenem «Unbehagen in der Kultur» laborierend, für das Triest einen idealen Schauplatz bot. Doch Sabas Melancholie ist eine andere als die des Verfassers von «Zeno Cosini». Dem Dichter des «Canzoniere» attestiert Claudio Magris als profunder Kenner der triestinità kühne Unschuld und anmutige Lebensgier, kindliches Staunen und heitere Verzweiflung. Aus dem Bündel der Paradoxe schält sich eine Gestalt heraus, die zwischen Tiefe und Oberfläche, zwischen Helligkeit und Dunkel zu vermitteln weiss, indem sie sich poetisch der nüchternen Transparenz verschreibt. Dies mag insofern erstaunen, als Saba 1883 als Umberto Poli in Triest geboren und vaterlos aufgewachsen den grössten Teil seines Lebens in der «Neurosenhöhle» eines Antiquariats der Via San Nicolò verbrachte. Verschanzt hinter Büchern, erforscht er die Provinz des Menschen aus sicherer Entfernung, bis ihn Mussolinis Rassegesetze aus Triest vertreiben. Er flieht nach Paris, dann nach Florenz und Rom, wo er sich während der deutschen Besetzung bei Freunden versteckt hält, um nach dem Krieg in seine Heimatstadt zurückzukehren. Vielfach ausgezeichnet, stirbt er 1957 in Gorizia. Transparenz als Ethos die Formel taugt auch für Sabas Prosa. Zu nennen wären sein einziger Roman «Ernesto» (dt. 1985) sowie jene Geschichten und aphoristischen «Abkürzungen» («Scorciatoie»), die Anna Leube nun in ein makelloses Deutsch übertragen hat. Texte, entstanden im Laufe von fast fünfzig Jahren, so schlicht, prägnant und weise, wie man sich dies von einem Lyriker nur wünschen kann. Sie heissen «Das Huhn», «Italo Svevo bei der britischen Admiralität» oder «Ein alter Mann mit Bart», sie erzählen vom Triestiner Ghetto und von einem Besuch bei D’Annunzio, von der schicksalhaften Buchhandlung und vom Krieg, von Malaparte und königlichen Hoheiten, von Freunden und Bekannten, immer persönlich und unprätentiös, manchmal in Form eines Briefes an die Tochter Linuccia. Saba erinnert Episoden und beschreibt scharf beobachtete Szenen, berichtet über absonderliche Vorfälle und über die Niederungen des Alltags; Psychologie tritt dabei stets als Handlung auf. Da kauft etwa ein Halbwüchsiger seiner Mutter mit dem ersten Lohn ein Huhn, weil er als Kind ein solches zum Spielgefährten hatte. Doch die Mutter, taub für jede nostalgisch-sentimentale Note, dreht dem Tier den Hals um und kocht daraus eine Suppe. «Von jenem Abend an liebte Odone seine Mutter weniger, immer weniger.» Sabas herbe Lakonie verzichtet auf überflüssige Erklärungen, jede Geschichte liefert ihren eigenen Reim. Die Tendenz zur Verknappung nimmt dabei mit den Jahren zu. Vor allem in seinen 1945 entstandenen «Abkürzungen», die «in ihrer fulminanten Analyse der Weltgeschichte ein Beispiel italienischer minima moralia darstellen» (Claudio Magris), setzt Saba auf Sentenz und Pointe. Ob er von Nietzsche oder vom Orientierungssinn, von Kriminalromanen oder der Schreibmaschine, vom Wahnsinn oder von den deutschen Juden spricht: seine Reflexion strebt nach äusserster Klarheit und Ökonomie, ohne vor paradoxen Verbindungen zurückzuschrecken. Zur Kunst heisst es da: «Auf Grund ihres zutiefst asozialen Wesens dient die Kunst mittels nur ihr eigener Wege dem sozialen Leben. Und alle Dichter sind in dieser Hinsicht, und nur in dieser Hinsicht, zivilisierte Dichter.» Den «Abkürzungen» ist die Kriegserfahrung, aber auch die des Alters deutlich eingeprägt. Die Frage, was «nach Majdanek» noch Sinn macht, wird ebenso gestellt wie die, was es mit dem Todestrieb und dem Erwachsenwerden auf sich hat. Antworten sind keine parat. Während Saba andernorts gelegentlich spöttisch zu Definitionen ausholt: «Ein echter Konservativer (. . .) argumentiert überhaupt nicht. Er leidet einfach an Verstopfung.» Doch selbst wo die aphoristische Zuspitzung zum Sarkasmus tendiert, kommt nicht wirkliche Bitterkeit auf. Denn Sabas Luzidität eignet Wohlwollen, so wie sie auch Selbstkritik und -ironie einschliesst. Und Humor, «der die höchste Form der Güte ist». So anspruchslos sich Sabas Geschichten, Skizzen und «Abkürzungen» auch geben, ihre Lektüre ist genussreich und bestätigt vollauf das Diktum ihres Verfassers: «Die Dichter versprechen weniger [als die Philosophen] und halten mehr.» Weil sie näher an der Wirklichkeit, an deren Einzelheiten und Imponderabilien, dranbleiben. Die Wahrheit steckt, wie immer, im Detail. Das Lyrische erst recht. Auch in der Prosa. Ilma Rakusa
Keine Kommentare bisher • RSS-Feed für Kommentare • TrackBack URI
Hinterlase deinen Kommentar!