Josef Müller-Brockmann, Ein Pionier der Schweizer Grafik [Taschenbuch]
Freitag, 9. September 2011, 14:52
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Hinweise auf Bücher Das Wissen unserer Zeit in einem Band haj. Es war ein Ereignis in der Geschichte der Lexikographie, als 1931 noch während der Weltwirtschaftskrise die Droemersche Verlagsanstalt «Knaurs Konversationslexikon» herausgab. Der Schöpfer dieses einbändigen Nachschlagewerkes, das 30 000 Stichwörter aufwies und zum sensationellen Preis von 2 Reichsmark 85 angeboten wurde, war der Schriftsteller Richard Friedenthal, später bekannt geworden als Herausgeber der Werke Stefan Zweigs und als Verfasser vielgelesener Biographien von Leonardo da Vinci, Luther, Jan Hus, Goethe und Marx. Friedenthals Kreation wurde zu einem der grössten Erfolge in der Geschichte des Buchhandels und hat bis heute seinen Platz als vielbenütztes Kompaktlexikon gehalten. Soeben ist, herausgegeben von Franz N. Mehling, eine völlig neu bearbeitete Auflage von «Knaurs Lexikon von A bis Z» erschienen, welche «das Wissen unserer Zeit auf dem neuesten Stand» präsentiert. Auf 1119 vierspaltig bedruckten Seiten orientiert der dennoch handliche Band über 70 000 Stichwörter. Zu diesen kommen 5500 Illustrationen, 150 farbige Schaubilder und Statistiken, 250 farbige geographische Karten und 120 Übersichten. Äusserst komprimiert in seinen sprachlichen Formulierungen, bietet das Werk die biographischen Daten vollständig (Geburts- und Todestag) und ist sichtlich bemüht, der Aktualität auf der Spur zu bleiben, was sich sowohl in den statistischen Zahlen als auch in den Karten zeigt. Grosses Gewicht ist auf die vorwiegend farbige Bildinformation gelegt. Unter dem ihm eingeräumten Stichwort hätte Richard Friedenthal auch als Erfinder von «Knaurs Konversationslexikon» gewürdigt zu werden verdient. Weh spricht: vergeh zel. Zeitdiagnostik mit religionswissenschaftlichen Mitteln erlebt einen Aufschwung. Besonders beliebt ist seit einigen Jahren (wieder) die Kategorie des «Gnostischen». Kaum eine bedeutende Gestalt der Geistesgeschichte der letzten hundert Jahre ist nicht bereits als «gnostische» entlarvt worden. Von vagen Zuschreibungen und Spekulationen ins Blaue hält Michael Pauen, dessen Studie über «Gnostizismus in Ästhetik und Philosophie der Moderne» hier anzuzeigen ist, offenkundig nicht viel. Sein Versuch, die Virulenz «gnostischer Denkfiguren» in der ersten Hälfte des zu Ende gehenden Jahrhunderts aufzudecken, hat Hand und Fuss. Die Verwandtschaft zwischen Klages, Bloch, Heidegger und Adorno einerseits und der antiken Gnosis andererseits, so die These des sorgfältig gearbeiteten Buches, beschränkt sich nicht auf mehr oder minder zufällig übereinstimmende Motive. Sie reicht tiefer, in die grammatischen Strukturen des Denkens hinein. Mit der «Verteufelung» der existierenden Welt – der Radikalkritik an Fortschritt, Wissenschaft und Öffentlichkeit – verknüpft sich eine «Selbstermächtigung» des Intellektuellen sowie die Orientierung an ästhetischer Erfahrung, die das desavouierte wissenschaftliche Wissen ersetzt und den Zugang zum «Unsagbaren» eröffnet. Ohne die politischen Divergenzen zwischen den vier genannten modernen «Gnostikern» in Abrede zu stellen, zeichnet Pauen sie als Theoretiker des «Ganz Anderen», die im Spannungsfeld «von Rationalitätskritik und Utopie, von Revolte und Resignation» sich bewegen und bewegen lassen. Dabei konturiert sich die «gnostische Tradition» in ihrer beispiellos «dramatisierten» Weltverneinung sowohl gegenüber der Romantik als auch gegenüber der jüdischen Theologie, wie sie etwa in Walter Benjamins Schriften sich niedergeschlagen hat. Reisen und schreiben ld. So wie individuelles, auf Fremdentdeckung und Selbsterfahrung angelegtes Reisen in den vergangenen Jahrzehnten vom organisierten Massentourismus abgelöst worden ist, hat auch die Reiseliteratur – von der Reportage über das Tagebuch bis zur belletristischen Phantastik oder Antiutopie – einen Zug ins Massenhafte angenommen. Die quantitative Expansion des Genres führt gleichzeitig zu dessen Trivialisierung und bedroht seine Fortexistenz als literarische Kunstform. Da das Reisen mehr und mehr zum Pseudoabenteuer verflacht, wird das Schreiben darüber zum Problem, auch wenn es, als Geste, oft viel «spannender» ist als die Reisebewegung selbst. Die Risiken, die heute vom Touristen nicht mehr erlebt werden können, muss die Reiseliteratur, in Kompensation dazu, erfinden. – Über den künstlerischen und sozialen Status der heutigen (französischen) Reiseliteratur sowie über den aktuellen Stand der einschlägigen (internationalen) Forschung unterrichtet neuerdings Adrien Pasquali in einem knappgefassten, mit bibliographischen Materialien wie mit kritischen Anregungen und theoretischen Einsichten gleichermassen reich dotierten Aufsatzband, der nebst narratologischen und literatursoziologischen Reflexionen allgemeiner Art auch viele aufschlussreiche Einzelbeobachtungen zu Autoren wie Bouvier und Butor, Leiris und Michaux enthält, von denen die neuere Reiseliteratur entscheidende Innovationsimpulse empfangen hat. Schumann in psychologischer Deutung rur. Barbara Meier breitet ein enormes Material aus zu einem anschaulichen Lese- und Bilderbuch über Robert Schumann. Dass man sich dabei eben nicht Schumann, «dem Schweigsamen», nähert, wie dies der Hüllentext suggeriert, dazu ist das hier benützte Material des Komponisten über sich selber reich genug. Psychologisches dient da nicht nur zur Erklärung der Lebensführung und Karriereplanung, sondern auch den Werkdeutungen. Hingewiesen wird auf Schumanns frühe Vorlieben für Maskenspiele, Verstellungen, auch den frühjugendlichen Drang nach Grösse und Berühmtheit. Zudem deutet die Autorin Schumanns energische Lebensleistung seit früh als Kompensationsversuch gegenüber dem jungverstorbenen Vater. Zum Werkverzeichnis Schumanns reiht sich ein Auswahl bleibendes Verzeichnis für Clara Schumann. Die im Anhang wiedergegebenen Zeugnisse von (Quasi-)Zeitgenossen reichen von Cosima Wagners abschätzigem «Musik voller Meyerbeeriaden» über Nietzsches Kritik des «unter Deutschen doppelt gefährlichen Hangs zur stillen Lyrik und Trunkenboldigkeit des Gefühls» bis zu Pierre Boulez‘ völlig missratenem Vergleich der Instrumentation bei Berlioz und Schumann. Der Moderne verschrieben afk. Seit den fünfziger Jahren wurde der Gestalter Josef Müller-Brockmann mit Aufträgen überhäuft: In seinem Metier ein versierter Generalist mit profunden Kenntnissen in allen modernen graphischen Techniken, wirkte er mit an Zeitschriften, Magazinen und Büchern, entwarf Plakate, Kostüme und Bühnenbilder, war tätig für Messen und Ausstellungen. Beschränkte sich sein Wirkungsfeld anfänglich auf die Schweiz, so öffnete es sich nach 1945 nach Deutschland, den USA und Japan. Bei all seinen Unternehmungen als Design-Berater, als Gestalter und Lehrer (1957 wurde er Direktor der Kunstgewerbeschule) blieb er dem Credo der Moderne verpflichtet und verwendete ausschliesslich Gestaltungsmittel des 20. Jahrhunderts. Mit Max Bill teilte er die Vorstellung einer funktional gebundenen Ästhetik. Das daraus erwachsende «Gute Form»-Denken prägte dem schweizerischen Design seinen Stempel auf. So energiesprühend und engagiert wie seit je, konnte Müller-Brockmann 1994 seinen achtzigsten Geburtstag feiern. Der Verlag Lars Müller widmete dem Jubilar zwei Publikationen: in der einen führt Müller-Brockmann in sein von strengen moralischen Prinzipien und einem disziplinierten Arbeitsplan bestimmtes Leben ein, im anderen, qualitätsvoll illustrierten Band steckt Lars Müller das zeitliche Umfeld von Müller-Brockmanns Schaffen ab. Mentale Zustände und physische Welt R. F. In sechs Kapiteln führt der Verfasser in das Leib-Seele-Problem ein. Das Buch beginnt mit einem Prolog, worin Tetens zwei «Gemeinplätze» miteinander kollidierten lässt: Psychische Phänomene sind einerseits prinzipiell anderer Natur als physische, stehen aber doch in kausaler Wechselbeziehung mit physischen. Da nun das menschliche Verhalten auf Grund des Energieerhaltungssatzes, wonach Energie weder plötzlich erzeugt noch vernichtet werden kann, sondern lediglich aus der einen Form in eine andere verwandelt wird, kausal geschlossen ist, kann kein nichtphysisches Phänomen menschliches Verhalten verursachen. Andererseits halten wir gleichwohl an der Wechselwirkungsthese fest. Deshalb scheint das menschliche Verhalten doch nicht kausal geschlossen zu sein. Die weiteren vier Kapitel variieren dieses Paradox unter besonderer Berücksichtigung des Erlebnisgehaltes mentaler Zustände und der Philosophie der Künstlichen Intelligenz. Im letzten Kapitel – dem Nekrolog – versucht Tetens zu zeigen, dass das Problem abdankt, wenn sich unser Gebrauch psychologischer Wörter genügend naturalisiert hat: Auf die Frage «Sind mentale Zustände Teil der übrigen physischen Welt?» wäre dann nur noch eine Gegenfrage der Antwort adäquat: «Was sollten sie sonst sein?» Freilich scheinen mentale Zustände damit ihre Eigentümlichkeit gegenüber der physischen Welt und insbesondere ihren subjektiven Erlebnisgehalt zu verlieren. Auch wenn eine naturalistische Beschreibung mentaler Zustände aus der Sicht des Neurowissenschafters der einzig gangbare Weg ist, so erschöpft dieser Weg noch nicht die Bedeutung, welche wir mit dem Begriff mentaler Zustände verbinden. Es bleibt am Ende also doch die Vermutung, dass das totgesagte Problem wieder aufersteht. Streit um die göttlichen Dinge ujw. Nicht erst seit dem «Historikerstreit» kristallisieren sich historische Zäsuren im Für und Wider «intellektueller» Debatten. Die Rede ist nicht von den querelles des anciens et des modernes, sondern vom «Streit um die göttlichen Dinge», der sich an Friedrich Heinrich Jacobis 1811 erschienener Schrift «Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung» entzündete. Ihm gingen zwei Kontroversen voraus, die sich gleichfalls im Spannungsfeld von Philosophie, Theologie und Religion abspielten; der durch einen Briefwechsel zwischen Jacobi und Mendelssohn ausgelöste «Pantheismusstreit» sowie der «Atheismusstreit», der Fichte seine Professur kostete. Die Geschichte des «Streits um die göttlichen Dinge» ist nun, samt Vor- und Nachgeschichte, im Rahmen der von Walter Jaeschke herausgegebenen Reihe «Philosophisch-literarische Streitsachen» dokumentiert und kommentiert worden. Der Quellenband sucht die Kontexte gleichsam handgreiflich sichtbar werden zu lassen. denen die sonst meist nur isolierten oder (im Falle «unbekannter» Disputanten) gar nicht rezipierten Texte ihre Entstehung verdanken. (Es fehlen freilich, notgedrungen, die umfangreicheren Debattenbeiträge.) Im Kommentarband werden von zehn Autoren und einer Autorin einzelne Etappen und Aspekte des Streits erörtert. Interessanterweise, das hebt Ingo Kauttlis in seinem Überblick über das Geschehen hervor, kehrt sich die Richtung des Streits um: sie kehrt sich, genauer gesagt, gegen den einstigen Ankläger, den «theistischen» Gottesglauben. War dieser es, vor dem der wissenschaftliche oder philosophische Begriff sich zu rechtfertigen hatte, so gerät er zusehends – und gerade weil er sich des begrifflichen Denkens entschlagen zu können meint – in Legitimationsnöte.
— Dieser Text bezieht sich auf eine andere Ausgabe:

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