Die turbulente Sitzung im MDR-Rundfunkrat
Sonntag, 25. September 2011, 01:50
Abgelegt unter: Allgemein

Erstmals seit Beginn der MDR-Affäre wird der Rundfunkrat über den Fall Foht informiert. Der suspendierte Unterhaltungschef soll gehen.Der Tag der angekündigten Wahrheit beginnt um 11 Uhr und wird länger dauern, als alle vorher erwartet haben. Dies ist eine Sondersitzung des Rundfunkrats, auf der Tagesordnung steht ein Thema, das den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in eine tiefe Krise gestürzt hat: Udo Foht, wegen undurchsichtiger Geldgeschäfte suspendierter Unterhaltungschef des MDR.Der Chef der internen Ermittlungskommission, Ex-LKA-Direktor Ingmar Weitemeier, legt einen Zwischenbericht zu der Affäre vor. Auch Udo Reiter, der Intendant des MDR, hat angekündigt, Rede und Antwort zu stehen. Er hat einiges zu erklären zu seiner Rolle in der Affäre. Denn auch er ist unter Druck geraten.Dies ist die erste Gelegenheit für die 43 Rundfunkräte, ihm Fragen zu stellen. Sie werden davon ausgiebig Gebrauch machen. Auch Mitglieder des siebenköpfigen Verwaltungsrats sind gekommen. Es werden Worte wie „Wildwest“ und „Saustall“ fallen.Und Weitemeier, der interne Chefermittler, wird die ohnehin angespannte Stimmung noch verdüstern. Er sagt, es gebe im MDR noch „20 weitere Komplexe“, die nichts mit der Foht-Affäre oder dem Betrugsskandal beim vom MDR beaufsichtigten Kinderkanal KiKa zu tun hätten.20 Komplexe, was immer sich dahinter verbirgt: Das ist eine Bombe. Denn allein die Foht-Affäre setzt dem MDR seit gut vier Wochen übel zu.Ende Juli hat der MDR seinen Unterhaltungschef Udo Foht suspendiert. Der hatte offenbar sein Amt missbraucht. Er hatte auf Briefpapier des MDR hohe Geldsummen von Dritten gefordert, darunter sind namhafte Medienmanager und Fernsehproduzenten. Viele der Rundfunkräte sind wütend, weil sie sich vom MDR, besonders von Reiter, schlecht informiert fühlen.„Alles was wir wissen, wissen wir aus der Zeitung“, hat ein Teilnehmer noch vor der Sitzung gesagt.Sie haben von den dubiosen Leihgaben gelesen, den Transaktionen von fünf- oder sechsstelligen Summen, und sie haben gelesen, dass Reiter schon im Herbst des Jahres 2009 von zumindest einem Fall gewusst hat. Das also sind die Voraussetzungen dieses Mittwochs.In der Sitzung versucht Reiter, sich zu rechtfertigen. Er sagt, der MDR habe es als neu gegründete Anstalt für die Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nicht einfach gehabt. Er sagt auch: Hätte man Anfang der 90er-Jahre die in der ARD übliche Bürokratie übernommen, dann hätte der MDR nicht solche Erfolge mit seinem Programm haben können.Das aber bringt einige Rundfunkräte erst richtig auf. So erzähle es, gleich nach der Sitzung, mehrere Teilnehmer. Und einer sagt: „Herr Reiter ist mehr oder weniger deutlich mehrfach dazu aufgefordert worden, die Verantwortung zu übernehmen.“ Reiter habe gesagt: Wie ein Intendant abzuwählen sei, sei ja bekannt. Aber auch das besänftigt die Kritiker nicht.Nach langem Ringen lässt Reiter sich zu zwei Eingeständnissen bewegen. Erstens, er übernehme die politische Verantwortung für die heikle Lage. Und, zweitens, aus heutiger Sicht hätte er in der Affäre Foht vielleicht doch früher handeln sollen. Es ist eine überraschende Wendung, von der mehrere Rundfunkräte berichten.Denn in der Sitzung hat Reiter einen von ihm verfassten Brief an die „Welt“ herumgereicht. Er beschwert sich darin über die Berichterstattung. „Wie Sie aus einem relativ kargen Sachverhalt, der obendrein schon seit Wochen bekannt ist, einen Seite-1-Aufmacher und noch eine weitere Seite im Blatt füllen, das ist zumindest quantitativ eine journalistische Meisterleistung.“ Damit will er die Vorwürfe gegen sich entkräften.Tags zuvor hatten die „Welt“ und „Welt Online“ erstmals berichtet, welch detaillierte Informationen Reiter schon im Herbst 2009 in zumindest einem Fall von Fohts Machenschaften vorliegen hatte. Diese Informationen, darunter SMS-Nachrichten Fohts an einen Berliner Musikmanager, der ihm 10.000 Euro geliehen hatte, werfen die Frage auf, warum Reiter nicht früher entschieden gehandelt hat.Denn aus diesem Fall und seinen Details geht eindeutig hervor, dass Foht grob gegen die Regularien des MDR verstoßen hatte. Ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber hätte arbeitsrechtliche Schritte einleiten müssen – und möglicherweise die Staatsanwaltschaft einschalten.Jetzt soll es ganz schnell gehen. Nach Informationen von „Welt Online“ erfährt der Rundfunkrat an diesem Mittwoch, dass die fristlose Kündigung Fohts schon auf den Weg gebracht worden ist. Am Montag soll der Verwaltungsrat die endgültige Entscheidung treffen.Das alles dauert bis 15.30 Uhr, gut viereinhalb Stunden insgesamt. Früher hatte Reiter das Gremium fest im Griff. Dieser Mittwoch aber ist nichts weniger eine Leipziger Revolution.Und sie trifft den Sender in einem Moment, der schon in normalen Zeiten reichlich Unruhe in eine Rundfunkanstalt trägt. Der MDR sucht einen neuen Intendanten, einen Nachfolger für Reiter, der am Jahresende auf eigenen Wusch vorzeitig geht.Es gibt eine Kandidatin und zwei Kandidaten: Karola Wille, die juristische Direktorin und derzeitige Stellvertreterin Reiters. Bernd Hilder, den Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“. Und drittens Helfried Spitra, derzeit Leiter der Hauptabteilung Zentrale Aufgaben Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks und früher beim Mitteldeutschen Rundfunk.Schon am kommenden Montag sollen die Kandidaten dem Verwaltungsrat des Senders ihre Konzepte vorstellen, wie sie das Haus künftig führen und in welche Richtung sie ihn entwickeln wollen. Am 26. September soll der neue Intendant dann gewählt werden. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig.Es gibt viele im MDR, die diesen Tag herbeisehnen.


Keine Kommentare bisher • RSS-Feed für KommentareTrackBack URI

Hinterlase deinen Kommentar!



Einen Kommentar hinterlassen